Renate Leitner
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Simplicity – die Kunst der reduzierten Gestaltung

Die 5 Gesetze der Einfachheit im Grafikdesign

Man hört oft: »Weniger ist mehr«. Die Reduzierung in der Gestaltung umzusetzen, ist allerdings keine einfache Aufgabe. In seinem zeitlosen Werk »Simplicity« erläutert John Maeda* die zehn Gesetze der Einfachheit. Einige davon begleiten mich bereits lange in meinem Alltag als Gestalterin. Hier sind die wichtigsten fünf Gesetze der Einfachheit aus der Grafikdesign-Praxis:

  1. Simplicity = Reduktion: Entferne das Offensichtliche und füge das Sinnvolle hinzu!
  2. Einfachheit in der Struktur: Organisiere, ordne, strukturiere!
  3. Kontext: Erkenne Simplicity im Kontrast!
  4. Akzeptiere Komplexität!
  5. Emotionen sind komplex.
Illustration: Simplicity und Grafikdesign

1. Simplicity = Reduktion: Entferne das Offensichtliche und füge das Sinnvolle hinzu!

Diese Faustregel ist der wichtigste Grundsatz von »Simplicity«. Die Umsetzung ist allerdings nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint. Für den Entwurf eines Designs ist es wichtig zu wissen, für welche Zielgruppe gestaltet wird. Das Offensichtliche und das Sinnvolle können je nachdem wer das Werk betrachtet, stark unterschiedlich sein. Hier ist darauf zu achten, welches »Wissen« und welche Erfahrungen in der jeweiligen Zielgruppe vorhanden sind. Dies zu erarbeiten ist ein intensiver Prozess, der im Aufgabenbereich Marketing liegt.

Was im Grafikdesign-Alltag auch immer wieder passiert: Es werden Elemente aus grafischen Gründen eingefügt, die aber inhaltlich keinen Mehrwert bieten. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Bildunterschrift das Bild, das zu sehen ist, lediglich beschreibt. Hier wäre es besser mit weiterführenden Infos im Kontext des Bildes einen Mehrwert zu schaffen. Oder man lässt, im Sinne des Gesetzes der Reduktion, die Bildunterschrift weg. Nun stellt sich allerdings die Frage: »Ist dieses Element aber für die grafische Ausgewogenheit sinnvoll und sollte daher bleiben?« Ja, Reduktion ist nicht einfach.

2. Einfachheit in der Struktur: Organisiere, ordne, strukturiere!

Gut geordnete Inhalte lassen sich besser erfassen, daher ist es ratsam Informationen zu ordnen. In der grafischen Gestaltung kommt hier unweigerlich das Gesetz der Nähe zum Einsatz: Elemente, die nahe aneinander angeordnet sind, haben mehr Bezug zueinander als Elemente, die weiter voneinander entfernt sind. Ebenso wie die Nähe stellt auch die Ähnlichkeit der Gestaltung eine optische Beziehung her.

Hier zeigt sich der starke Zusammenhang von grafischer Gestaltung und inhaltlicher Struktur. Die visuelle Umsetzung soll die Informationsaufnahme unterstützen und setzt den textlichen Aufbau in grafische Gliederung um. Ist allerdings der Inhalt nicht gut strukturiert, leidet auch die Optik. Zum Beispiel kann es sein, dass die Länge von Listen mit Aufzählungszeichen stark unterschiedlich ist. Dies auf einer Seite harmonisch zu integrieren ist oft herausfordernd. In diesem Fall ist es besser, auch den Inhalt nochmals zu hinterfragen. Vielleicht lässt sich der Inhalte einer kurzen Liste besser in Form von ausformulierten Sätzen als Fließtext umsetzen?

3. Kontext: Erkenne Simplicity im Kontrast!

Ob etwas »simpel« ist, bemerken wir erst, wenn wir es mit Komplexem vergleichen. Erst der Kontrast lässt uns die jeweilige Ausprägung erkennen. Ist »einfach« aber immer besser? Um Langeweile vorzubeugen ist es ratsam, auch einen gewissen Grad an Komplexität zuzulassen. Setzen Sie Kontraste bewusst ein!

Weitere Herausforderungen entstehen durch die Digitalisierung der Welt. Viele optisch »simple« Gestaltungen sind bereits rechtlich geschützt – dies ist vor allem im Logodesign relevant. Außerdem müssen Logos auch eine gewisse Eigenständigkeit besitzen, um überhaupt registrierbar zu sein. Ein einfacher Kreis zum Beispiel ist eine wunderschöne, reduzierte Form, doch diese als Bildmarke zu verwenden wird ohne weiteren Zusatz nicht möglich sein. Im globalen Markt sind einfache grafische Grundformen bereits in vielen Varianten als Logo im Einsatz. In der Gestaltung eines neuen Logos gilt es daher das Spannungsfeld zwischen einfachen und komplexen Formen auszuloten.

4. Akzeptiere Komplexität! Manches lässt sich nicht vereinfachen.

Eine weitere Tatsache ist, dass uns unsere Welt durch den technischen Fortschritt immer mehr Möglichkeiten bietet. Das bedeutet schlicht: Die Welt wird komplexer. In der Gestaltung stellen sich daher nun zwei essenzielle Fragen: Wie einfach kann es sein? Wie komplex muss es sein? Hier kommt das Dilemma bereits klar zum Ausdruck. Sind die Funktionen z. B. einer Programmoberfläche stark reduziert – sprich viele Funktionen z. B. in Untermenüs versteckt oder sogar Bedienelemente schlicht ausgeblendet, macht dies zwar einen »einfachen« Eindruck, allerdings schränkt dies auch die Benutzung des Programms ein.

Ein weiteres Beispiel aus der Grafikdesign-Praxis ist die Gestaltung von Icons. Diese kleinen Grafiken leben von stark reduzierter Darstellung. Das Problem dabei ist, dass somit auch weniger Komplexität visuell transportiert werden kann. Für einen Sachverhalt, den man in mehreren Sätzen erklären muss, wird es kaum möglich sein ein »einfaches« Icon zu entwerfen. In diesem Fall sind komplexere Illustrationen oder Infografiken die bessere Wahl. Diese können allerdings nicht so stark verkleinert verwendet werden, da die Details in kleinen Größen nicht mehr erkennbar sind.

Illustration: Icon vs. Infografik
Illustration: Renate Leitner

5. Emotionen sind komplex.

Bilder, Farben und Formen lösen Gefühle aus – das ist Gestalterinnen und Gestaltern bewusst. Nun liegt die hohe Kunst der »Simplifizierung« in der Reduktion auf die wesentlichen Gestaltungselemente, die die gewünschten Emotionen hervorrufen. Dies bedeutet also nicht automatisch, dass es z. B. keine »verspielten« oder bunten Elemente geben darf. Im Fokus liegt (liegen) im Wesentlichen die Zielgruppe(n), die angesprochen werden soll(en) – und diese Ansprache kann je nach Markenpositionierung stark unterschiedlich sein.

In der Arbeit als Grafikerin fällt mir immer wieder auf, dass Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer meist unwissentlich ihren eigenen Geschmack als maßgeblich erachten. In seltenen Fällen deckt sich allerdings das Milieu der anzusprechenden Zielgruppe mit dem Milieu der Geschäftsführung. Hier sieht man, wie stark Design mit Emotionen verbunden ist. Hat man nicht durch Ausbildung gelernt, Geschmack und Gestaltung zu reflektieren, kann man die eigene »Brille« nicht ablegen. Visuelles löst Gefühle aus – und je nach persönlichen Erfahrungen, Vorlieben, Sozialisation, Geschlecht, Alter usw. können diese bei Betrachtung derselben Gestaltung stark unterschiedlich ausfallen.

Fazit

Einfachheit liegt im Auge der Betrachtenden. Simplicity ist Trend und kann ein guter Leitfaden für Gestaltung sein. Man sollte sich bewusst sein, dass Reduktion auf das Wesentliche eine komplexe Aufgabe ist. Wer mehr über die verschiedenen Aspekte lesen möchte, dem kann ich das Buch »Simplicity« von John Maeda* wärmstens empfehlen.

*) Maeda, John. 2007. Simplicity – Die zehn Gesetze der Einfachheit. 1. Aufl. München: Spektrum Akademischer Verlag.
Hier mehr über John Maeda (Wikipedia)

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Als erfahrene Grafikdesignerin setze ich gerne für Sie Designs nach den Simplicity-Grundsätzen um!

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